Rückkehrbericht von Kristian Kersting

Professor Dr. Kristian Kersting

Professor Kersting ist seit 2013 an der Technichen Universität Dortmund im Bereich Data Mining tätig. Sein Forschungsgebiet betrifft die effiziente Wissensentdeckung in großen, komplexen und unsicheren Datenmengen. 2007 absolvierte er einen Forschungsaufenthalt als Post-Doctoral Associate am Massachusetts Institute of Technology.

Nach meiner Promotion im April 2006 hatte ich zunächst eine PostDoc Stelle bei meinem Doktorvater am Institut für Informatik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Zu dieser Zeit hatte er allerdings einen Ruf an die Katholische Universität Leuven in Belgien erhalten, so dass das Ende meiner Zeit in Freiburg absehbar war. Ursprünglich wollte ich ihm einfach folgen. Zwei Tage vor der Vertragsunterschrift in Belgien erhielt ich eine Email von Leslie Pack Kaelbling (MIT, USA), ob ich mir vorstellen könnte, Anfang 2007 als Postdoctoral Associate bei ihr am Computer Science and Artificial Intelligence Laboratory (CSAIL) des MIT anzufangen.

Ich konnte mir das zwar vorstellen, allerdings hatte ich starke Gewissensbisse, weil ich meinem Doktorvater für Belgien schon zugesagt hatte. Man muss wissen, dass das MIT für viele Informatiker dem Himmel ziemlich nahe kommt, und meine Frau sagte: „Du würdest es bereuen, wenn Du diese Chance nicht wahrnimmst“. Also ging ich Anfang 2007 ans MIT. Zwar hätte ich länger am MIT bleiben können, aber die Idee, mein eigener Herr zu sein, motivierte mich Anfang 2008 nach Deutschland zurückzukehren. Natürlich spielte es auch eine Rolle, dass meine Frau noch in Deutschland war.

Zum Glück traf ich Stefan Wrobel, dem Institutsleiter des Fraunhofer IAIS in Bonn, Deutschland, auf einer Konferenz. Er erzählte mir von dem Fraunhofer ATTRACT-Programm, sozusagen das Emmy-Noether der Fraunhofer Gesellschaft. Die Förderung beträgt 2.5 Mio. Euro für fünf Jahre. Ich bekam die Förderung und leite seit 2008 meine eigene Arbeitsgruppe am Fraunhofer IAIS.

Ich schließe nicht aus, wieder ins Ausland zu gehen. Allerdings sind die Bedingungen am Forschungsstandort Deutschland für meine Forschungsgebiete – das Maschinelle Lernen, das Data Mining und die Künstliche Intelligenz – sehr gut. Wir haben exzellente Forscher und sehr gute Fördermittel. Zwar ist es nicht immer einfach, sie einzuwerben, aber das ist es auch nicht in den USA.

Allerdings wird der Nachwuchs in den USA mehr unterstützt und gefördert. Jungen Assistant Professors wird Vorschussvertrauen und Anleitung entgegengebracht. Sie werden häufig zu Vorträgen an anderen Instituten im ganzen Land eingeladen. Das hilft Ihnen, schon früh ein Netzwerk und förderliche Kontakte für die eigene Zukunft aufzubauen.

Nach meiner Entscheidung nach Europa zurückzukehren, sagte ich eine Lecturer-Stelle am Imperial College in London, England, aus persönlichen Gründen ab. Das war schweren Herzens, weil Anstellungen an Universitäten in England auf Lebenszeit sind. Das würde ich mir auch für Deutschland wünschen. Immerhin sind gerade die „jungen Wilden“ eine treibende Innovationskraft. Dann hatte ich das Glück, Stefan Wrobel zu treffen und sein Vertrauen zu gewinnen. Das ATTRACT-Programm macht mich finanziell unabhängig und hilft somit außerordentlich, meine eigene Gruppe aufzubauen.

Vieles in einer Karriere ist Glück. Wer kann schon sagen, wo er morgen sein wird? Ich kann das leider nicht, weder in den USA, noch in Deutschland. Ich habe in Deutschland ein Umfeld gefunden, das mich fordert und fördert. Es gibt immer wieder neue Herausforderungen. Auch wenn es nicht immer einfach ist, man kann viel erreichen, wissenschaftlich und persönlich.