Interview mit Christina & Alexander Birkel

Dr. Christina Birkel & Dr. Alexander Birkel

Dr. Christina Birkel und Dr. Alexander Birkel haben gemeinsam einen Forschungsaufenthalt an der University of California, Santa Barbara absolviert. In der Zwischenzeit ist das Doppelkarrierenpaar nach Darmstadt zurückgekehrt, wo Frau Dr. Birkel als Nachwuchsgruppenleiterin an der TU Darmstadt mit dem Forschungsschwerpunkt Anorganische Festkörperchemie, Synthese und magnetische Eigenschaften von MAX Phasen unterrichtet. Dr. Alexander Birkel hingegen ist in die Privatwirtschaft gewechselt und bei ITICON GmbH als Consultant im Bereich der technologie-orientierten Innovation tätig.

GAIN: Sie waren von 2010 bis 2013 beide an der University of California, Santa Barbara als Postdoktoranden tätig. Erzählen Sie uns doch kurz, wie Sie dorthin gekommen sind und weshalb Sie sich 2013 wieder für eine Rückkehr nach Deutschland entschieden haben.

Dr. Christina Birkel: Wir haben beide an der University of California, Santa Barbara bereits ein Auslandsemester absolviert sowie die Diplomarbeit dort verfasst. Als sich dann die Gelegenheit ergeben hatte, während des Postdocs in den USA zu forschen, war das natürlich eine tolle Möglichkeit – wir beide fühlten uns an der Universität und in Kalifornien im Allgemeinen sehr wohl. Das ganze wurde dadurch vereinfacht, dass wir auch ohne Stipendium in das Postdoc-Programm aufgenommen worden wären. Das war natürlich ein wichtiger Faktor für uns. Ich hatte das Glück, dann sogar noch ein Stipendium zu erhalten.

Die Rückkehr nach Deutschland ist uns beiden nicht leicht gefallen. Auslöser war, dass ich ein Angebot von meiner jetzigen Chefin an der TU Darmstadt erhielt. Ein weiterer wichtiger Grund war die Nähe zu unseren Eltern, gerade, da unser erstes Kind in Kalifornien geboren wurde. Durch das viele Reisen war es eine schöne Vorstellung, wieder auf dem gleichen Kontinent zu sein.

GAIN: Ausschlaggebend für die Rückkehr war also das Angebot der TU Darmstadt. Wie hat sich die Stellensuche dann für Sie gestaltet, Herr Dr. Birkel? Wie sind Sie vorgegangen und welche Hilfestellungen haben Sie erhalten?

Dr. Alexander Birkel: Mit dem Angebot, das Christina erhielt, war natürlich auch der Standort vorgegeben. Daraufhin habe ich meine Suche auf den geografischen Raum um Darmstadt herum konzentriert. Dabei hat uns das Dual Career Office der TU Darmstadt die beste Unterstützung angeboten, die wir uns hätten wünschen können. Auch Christinas Professorin hat uns sehr geholfen und mich beispielsweise mit persönlichen Kontakten vernetzt. Geklappt hat es dann über ein Online-Portal.

Dr. Christina Birkel: Die Hilfe des Dual Career Büros ist dabei über reine Jobsuche hinausgegangen. Beispielsweise hat es uns eine Wohnung in Campus Nähe vermittelt, die wir ohne deren Unterstützung nicht so einfach gefunden hätten.

Auch in der Kinderbetreuung hat die TU Darmstadt uns geholfen, sodass wir bereits nach zwei Monaten einen Betreuungsplatz in der Kita an der Uni erhielten. Die Uni als Institution und meine Chefin haben alles Mögliche gemacht, um uns den Einstieg hier zu erleichtert.

GAIN: Frau Dr. Birkel, Studien belegen immer wieder, dass es Wissenschaftlerinnen in Deutschland schwerer als ihre männlichen Kollegen haben. Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen? Und wie wirkt sich der Faktor aus, dass Sie auch zweifache Mutter sind?

Dr. Christina Birkel: Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich Kinder hatte, habe ich mich nie benachteiligt gefühlt, auch nicht in Deutschland. Erst als die Kinder auf die Welt kamen, ging plötzlich eine Schere auf.

Seither fällt mir auf, dass man es als voll berufstätige Frau mit Kindern schwerer hat, weil man in gewisser Weise nicht wirklich in das Weltbild von vielen Leuten passt. Es kann sich in Bemerkungen äußern, die gar nicht böse gemeint sind, und geht hin bis zu Diskriminierungsfällen, die sich darin zeigen, dass man beispielsweise für eine Stelle weniger in Betracht gezogen wird als ein männlicher Kollege. Einfach nur deshalb, weil es die gesellschaftliche Wahrnehmung ist, dass man als vollberufstätige Frau bei den Kindern zu sein hat und nicht bei der Arbeit. Und ich würde dies nicht nur auf die Wissenschaft beziehen, sondern denke, dass mir in der Industrie ähnliche Dinge begegnen würden.

In den USA hatte ich das Gefühl, dass die Gesellschaft weniger stark in den traditionellen Gedankenmustern verhaftet ist. Es zeigt sich schon daran, dass es den Begriff der Rabenmutter im Englischen nicht gibt. Und gerade auch, weil Familien leider aufgrund der geringen staatlichen Unterstützung auf das zweite Einkommen angewiesen sind, ist es viel weiter verbreitet, dass Mütter Vollzeit

GAIN: Wie gestaltet sich die Unterstützung von Universitäten bezüglich Familie und Karriere? Wie unterscheiden sich die deutschen und amerikanischen Unis in der Hinsicht?

Dr. Christina Birkel: Vom universitären Umfeld her waren beide Universitäten sowohl in den USA als auch in Deutschland sehr offen und hilfsbereit. Wir haben in den USA ein Familienbüro zur Verfügung gestellt bekommen, der Kleine konnte mit zur Arbeit und selbst zu Meetings. Alle waren sehr freundlich und offen.

Auch in Deutschland funktionierte es problemlos. Nach der Geburt meines zweiten Kindes konnte ich während der Elternzeit weiterhin in Teilzeit arbeiten und es war gar kein Problem, dass ich mein Baby immer mit dabei hatte. Ich finde es auch wichtig, in dieser Hinsicht eine Vorbildfunktion einzunehmen. Ich will bei Studierenden, Promovierenden und Kollegen als Beispiel vorangehen. Es wäre schön, wenn das mehr Leute machen würden, besonders auch männliche Kollegen.

Dr. Alexander Birkel: Generell ist die Gesetzeslage natürlich in beiden Ländern sehr unterschiedlich. In den USA hatten wir das große Glück, dass bei uns alles sehr gut verlaufen ist, keine Komplikationen aufkamen und Christina nicht länger ausfiel. Wären beispielsweise gesundheitliche Schwierigkeiten aufgekommen, hätte die Situation anders ausgehen können.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind in Deutschland natürlich viel besser und schaffen eine größere Sicherheit.

GAIN: Welchen Herausforderungen begegnen Sie dabei, Ihre Doppelkarriere und Familie unter einen Hut zu bringen? Wie werden Sie von Ihren Arbeitgebern unterstützt?

Dr. Alexander Birkel: Es ist definitiv eine große Herausforderung, zeitlich, organisatorisch und finanziell. Bei uns sind die Rahmenbedingungen einigermaßen gut: Dadurch, dass mein Unternehmen relativ klein ist, wird so viel Rücksicht auf meine Situation genommen wie möglich. Ich habe eine große Flexibilität durch Homeoffice und meine Dienstreisen werden nach Möglichkeit auch so gelegt, dass sie mit meinen familiären Plänen übereinstimmen. Es kommt sehr selten vor, dass sich bei uns beiden Termine überkreuzen oder abgesagt werden müssen.

Dr. Christina Birkel: Wichtig ist hier vor allem die Kommunikation, der Respekt vor der gegenseitigen Arbeit und eine gute Teamfähigkeit, sodass die Abläufe sehr gut geplant und aufeinander abgestimmt werden. Dies geht allerdings nur gut, solange alle gesund sind. Wird einer krank, braucht es dafür einen back-up Plan, sei es die Oma, Freunde, Nachbarn oder Babysitter. Hier hilft die Flexibilität unserer Arbeitsplätze sehr

GAIN: Herr Dr. Birkel, Sie haben bei Ihrem Schritt zurück nach Deutschland nicht nur den Ort, sondern auch die Karriere gewechselt und sind jetzt als Berater bei Iticon tätig. Wie hat sich für Sie der Wechsel von der Wissenschaft in die Industrie gestaltet? Was waren die ausschlaggebenden Gründe für diesen Schritt?

Dr. Alexander Birkel: Bei den Chemikern ist es insgesamt etwas anders, eine Promotion nach dem Diplom wird von der Industrie quasi erwartet, sonst wird man kaum eingestellt. Von Anfang an war ich an der Industrie interessiert und wollte auch etwas anderes als nur die Universität sehen.

Bei meinem beruflichen Wechsel bzw. während der Vorstellungsgespräche wurde ich des Öfteren gefragt, weshalb ich den Zwischenschritt eines Postdocs gemacht habe, da es eher Interesse an der Forschung als an der Arbeit in einem Unternehmen signalisiert. Hier hat mir stark geholfen, dass ich meinen Postdoc in Kooperation mit der Industrie gemacht habe. Dadurch war meine Arbeit nicht nur ausschließlich auf die Grundlagenforschung fokussiert, sondern auch anwendungsbezogen.

Schließlich ist auch zu beachten, dass es für Chemiker relativ gesehen wenige Stellen an der Uni gibt. Eine Doppelkarriere an einer deutschen Uni, wie sie viele unserer Freunde an amerikanischen Universitäten verfolgen, kann eigentlich von Vornhinein fast ausgeschlossen werden.

GAIN: In welchen Bereichen haben Ihnen die Erfahrungen in der Wissenschaft besonders geholfen und in welchen Bereichen mussten Sie neue Skills dazu lernen?

Dr. Alexander Birkel: Größter Unterschied für mich ist der Fokus auf Gewinn. An der Uni hat niemand den Druck, Geld zu verdienen. Man konnte quasi „machen, was und wie man es wollte“, andere Aspekte spielten eine wichtigere Rolle und das Ergebnis musste vor allem stimmen. Das ist im Normalfall in einem Unternehmen anders, da es auf Gewinn ausgerichtet ist. Dadurch funktionieren Abläufe, Prozesse und Verhalten auch ganz anders.

Hilfreich ist die Forschung in der Hinsicht, als dass ich in meiner aktuellen Tätigkeit viele Projekte begleite, die auch ein fachliches Verständnis verlangen. Generell muss ich jedoch weniger Techniken oder Anwendungsbeispiele, die ich mir in der Promotion erarbeitete, einsetzen, sondern habe mit der Promotion vor allem bewiesen, dass ich zu eigenständigem wissenschaftlichem Arbeiten fähig bin und mir ein komplexes Thema selbständig erarbeiten kein. Der Einstieg ins Unternehmen selbst ist dann learning by doing.

GAIN: Gibt es noch etwas, das Sie zum Abschluss des Interviews gerne an die GAIN Community weitergeben würden?

Dr. Alexander Birkel: Wir finden es eine tolle Sache, dass es GAIN gibt. Wir selbst haben den Stammtisch in Santa Barbara aufgebaut und an einer Jahrestagung teilgenommen. Gerade die Career Fair kann sehr hilfreich dabei sein, ein Netzwerk aufzubauen.

Dr. Christina Birkel: Nutzen Sie jede Gelegenheit, neue Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. Networking kann manchmal eher negativ und anstrengend klingen, aber es macht ja auch Spaß, Leute kennenzulernen, darauf zurückgreifen zu können und in meinem Fall sich auch zu einem späteren Zeitpunkt mit Wissenschaftlern auszutauschen. Von einer privaten Sichtweise her kann ich nur raten, dass man möglichst früh rausfinden soll, wo die Prioritäten liegen. Egal, ob sie in der Wissenschaft oder der Industrie liegen, ob sie arbeits- oder familienlastig oder ein Mix von beidem sind, es ist wichtig, diese früh rauszufinden und dann auf jeden Fall daran festzuhalten.