Interview mit Anne Kaster

Dr. Anne-Kristin Kaster

Dr. Kaster forschte 2011- 2014 als Postdoctoral Research Fellow an der Standford University und ist heute als Research Group Leader am Leibniz-Institut DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen) tätig. Sie ist dabei auf mikrobielle Genetik, Bioinformatik und Biotechnologie spezialisiert.

GAIN: Sie waren von 2011 bis 2014 als Postdoctoral Research Fellow an der Stanford Universität tätig. Erzählen Sie uns doch kurz, wie Sie dorthin gekommen sind und weshalb Sie sich 2014 für die Rückkehr nach Deutschland entschieden haben.

Dr. Anne-Kristin Kaster: Nach meiner Doktorarbeit am Max Planck Institut in Marburg war mir klar, dass ich einen Postdoc Aufenthalt machen wollte, um mehr Forschungserfahrung zu sammeln. Ich war während meines Chemie Studiums schon einmal 10 Monate lang in Berkeley. Kalifornien hatte es mir sehr angetan und da in Stanford  das Wetter ja nochmals um einiges besser ist, war die Entscheidung schnell gefällt als mein NSF Stipendium bewilligt wurde.

Gerne wären mein Mann und auch ich länger im Silicon Valley geblieben, doch leider sind dort die Lebenserhaltungskosten irre hoch und es ist sehr schwer eine Familie zu gründen. Außerdem bin ich Einzelkind, meine Eltern nicht mehr ganz neu und 12 Stunden Flugzeit nach Hause schon eine Hausnummer.

Als ich das Angebot bekam als Nachwuchsgruppenleiterin an die DSMZ zu gehen, habe ich nicht lange überlegt.

GAIN: Man hört immer wieder, dass es Wissenschaftlerinnen in Deutschland nach wie vor schwerer haben als ihre männlichen Kollegen. Was sind Ihre Erfahrungen in dem Kontext? Auf welche Herausforderungen sind Sie gestoßen und wo haben Sie besonders gute Erfahrungen gemacht?

Dr. Kaster: Natürlich gibt es immer noch den „Alte-Männer-Club“, aber da hat sich in den letzten Jahren doch sehr viel getan und die Entwicklung geht in die richtige Richtung. Ich habe momentan eher den Eindruck, dass es die Männer schwerer haben, weil der politische Druck, Frauen zu fördern, doch sehr stark gestiegen ist.

Das ist wiederum auch für uns Frauen problematisch, da man nun dagegen kämpfen muss, man habe unfaire Vorteile, weil man eine Frau ist. Momentan kann man es niemandem recht machen… Ich selbst habe mich allerdings bisher noch nie benachteiligt gefühlt.

GAIN: Wie unterscheidet sich das wissenschaftliche Forschen in den USA und in Deutschland? Was sollten deutsche Institutionen Ihrer Meinung nach kopieren, an welchen Stellen könnte die USA dazulernen?

Dr. Kaster: Die Leute in den USA nehmen sich oft nicht so wichtig wie hier, die Hierarchien sind viel flacher und es geht einfach nur um die Sache, nämlich gute Forschung und Lehre zu machen. Davon sollte man sich in Deutschland eine Scheibe abschneiden.

Die Amerikaner hingegen sollten die universitäre Forschung auf jeden Fall stärker finanziell fördern. Die Bewilligungsquoten der NSF sind im Vergleich zur DFG absolut miserabel.

Generell müssten die USA mehr in den Bildungssektor investieren, und Bildung allen Menschen wie in Deutschland – wenn schon nicht kostenlos – zu fairen Konditionen zugänglich machen. Wohin diese Bildungsdefizite in der amerikanischen Gesellschaft führen, hat man ja bei der letzten Wahl gesehen.

GAIN: In der Zwischenzeit sind Sie auch Mutter geworden – dazu möchten wir Ihnen natürlich zuerst einmal herzlich gratulieren. Uns interessiert dabei besonders, welchen Herausforderungen Sie dabei begegnen, wissenschaftliche Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen?

Dr. Kaster: Danke. Ich bin manchmal ganz schön am Rotieren, alles unter einen Hut zu bekommen – aber wer ist das nicht. Meine Tochter hält leider auch nicht allzu viel von langem Mittagsschlaf, sie ist eher der Power-Napper-Typ.

Mein Mann unterstützt mich, wo er kann, hat aber selbst einen anspruchsvollen Job und eine Karriere, die er vorantreiben möchte. Leider haben wir keine Familie in der Nähe – wie so viele andere auch nicht – was es nochmals schwieriger macht.

Aber letztendlich muss man sagen: Es geht alles irgendwie. Die Prioritäten verschieben sich einfach. Ich bin weniger perfektionistisch als früher, arbeite aber auch effizienter.

Schockiert hat mich, dass ich meine Tochter schon vor ihrer Geburt auf zwei Krippenplätze angemeldet habe und von keinem eine verbindliche Zusage bekommen konnte. Auch die Qualität der Plätz und das schlechte Betreuungsverhältnis haben mich nicht gerade begeistert. Hier ist noch viel Luft nach oben, werte Politiker!

GAIN: Welche Tipps würden Sie jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Hand geben, die derzeit in den USA forschen und sich überlegen, wieder nach Deutschland zurückzukehren?

Dr. Kaster: Sich frühzeitig darum zu kümmern: Von der ersten Bewerbung bis zum Vertrag dauert es meistens länger als man denkt. Auf jeden Fall sollte man dafür genug Zeit einplanen, auch wenn man noch mitten im Auslandsaufenthalt steckt. Sonst kommt es am Vertragsende schnell mal zu Panikattacken, wenn die neue Lebensstation noch nicht eingetütet ist.

Außerdem würde ich jedem empfehlen, Heimaturlaube fürs Networking zu nutzen. Keine Uni und auch selten Unternehmen bezahlen einem den Flug für einen Vortrag oder ein Treffen. Wenn man aber anbietet, dass man in einem bestimmten Zeitraum vor Ort ist und vorbei kommen kann, wird das meist gerne angenommen.

Man muss aufpassen, in Deutschland nicht den Anschluss zu verlieren, wenn man ein paar Jahre im Ausland ist. Zwar hat man im Ausland meistens gute connections, aber eben nicht in der Heimat. Hier muss man aktiv gegensteuern, indem man sich in Netzwerken wie GAIN aktiv engagiert, zB bei Stammtischen oder wie ich als Beirat.

GAIN: Gibt es noch etwas, das Sie zum Abschluss des Interviews gerne an die GAIN Community weitergeben würden?

Dr. Kaster: GAIN ist eine super Sache und ich empfehle jedem zumindest einmal eine GAIN Tagung zu besuchen und zu networken. Nette und interessante Leute lernt man dabei übrigens auch kennen.